Wenn die Impfung ins Wasser fällt

Auf dem Weg ins Büro und mit angeschnallter FFP2, laufe ich wie so häufig an der Pflegeheim-Baustelle vorbei und sehe mein Spiegelbild in einer der Pfützen im Asphalt. Die übergroßen Fahrzeuge scheinen der Straße in den letzten Wochen und Monaten ganz ordentlich zugesetzt zu haben. Heißt das in die Bauwirtschaft auch Kollateralschaden?

In jedem Fall laufe ich dort also am Bauzaun vorbei und sehe in einer Pfütze ein Irgendwas, was einem kleinen Impfdosis-Fläschchen optisch doch sehr nahe kommt. Ist hier eine Impfung ins Wasser gefallen? Ich habe es nicht weiter untersucht, weil ich ja ins Büro wollte und dort wie immer die Arbeit überfällig auf mich wartete. Aber dieses Bild ist mir dennoch nicht aus dem Kopf gegangen. Schliesslich ist ja tatsächlich zeitgleich der Impfstop von AstraZeneca angeordnet worden und hat die Diskussion um das ohnehin gesellschaftlich etwas angezählte COVID-19 Vaccine weiter angefeuert.

Ich musste also nachdenken. Erstmal ja nichts Schlimmes, ist ja vielleicht sogar ganz sinnvoll, aber es hat mir doch etwas von der Konzentration geraubt, die ich eigentlich gerade für etwas anderes nutzen wollte. Meine Arbeit.

Im Grübelmodus

Ich schalte also alle Geräte des Tages ein und nutze den Bootvorgang meines Rechners für den ersten intensiven und zusammenhängenden Gedanken zum Thema Impfung und Organspende. Die Organspende ist ja unser Hauptthema 2021 und die Impfung ist gerade das Hauptthema in der Pandemie, die uns alle latent verrückt werden lässt.

Wie muss es sich wohl anfühlen, wochenlang auf den Tag der lebensschützenden Impfung gewartet zu haben, um dann zu erfahren, dass die Impfung ins Wasser fällt. Und wie fühlt es sich dann wohl an, monatelang auf ein lebenserhaltendes Organ zu warten, was dann doch nicht transplantiert wird? In beiden Fällen kann ich nur mutmaßen, weil ich derartige Situationen noch nie erlebt habe. Aber auch an der Mutmaßung ist ja per se nichts auszusetzen und ich darf also denken, dass sich das sicher irgendwie enttäuschend anfühlen muss und das Gefühl Enttäuschung kenne ich doch sehr gut. Das hatte ich schon häufiger selbst erlebt.

Auf dem Heimweg, also am Heim vorbei und dann nach Hause, habe ich dann doch noch beschlossen, den Moment festhalten zu wollen. Handy raus und draufgehalten – das Lichtbild vom gefüllten Straßenschaden war in insgesamt nur fünf Sekunden im Telefon. Nicht schlecht, bedenkt man doch, dass vor Jahrzehnten solche Aufnahmen eher fünf Minuten gedauert hätten, die chemische Entwicklung noch ausstand und erst im Labor erledigt werden konnte.

Ich lebe aber 2021 und da geht so etwas eben ratzfatz und das Leben geht weiter, schnelllebig eben.