
Vor kurzem hat mich die gute Nachricht erreicht, dass Milan Skrobanek seinen Dokumentarfilm WIR UND DIE KUNST fertiggestellt hat und der Streifen bereits per Video on Demand zugänglich ist. Da also Funny van Dannen darin vorkommt und ich die Art sehr mag, wie Milan Dinge zeigt, waren die 2,73GB HD schnell auf meinem Rechner zu finden. Und tatsächlich, ein wirklich überaus gelungenes Dokument, auch über Mad C, Sarah Bosetti und Jan Georg Schütte. Danke, sehr schön.
Das traurig geniale an dem Film ist aber eben auch, dass er durch zwei grundsätzlich verschiedene Perspektiven durchtrennt wurde. Die Zeit vor und die Zeit während der Corona-Pandemie. Wobei der somit zweite Teil sich sehr Erwachsen anfühlt und die erste Hälfte nun beinahe etwas kindliches im Nachhall hat. So zumindest kommt es mir vor, nachdem ich den Film am Stück sehen konnte.
Malmö | Lieber Milan, als du den finalen Schnitt freigegeben hast, war dir sicher bewusst, dass du nicht nur einen Film über Künstler*innen gemacht hast, sondern auch über eine Zeit, in der Kunst in die systemrelevante Schusslinie geraten ist. Wie hast du diesen Umbruch in der Produktion wahrgenommen? Schließlich bist du ja selbst Künstler.

Skrobanek | Der Ursprung des Films war ja eine persönliche Sinnsuche. Ich wollte für mich die gesellschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur ergründen. Durch die Corona-Krise wurde das Thema des Films omnipräsent. Plötzlich wurde die Frage, welche Rolle Kunst und Kultur in und für unsere Gesellschaft spielen, überall verhandelt. Da das Thema von allen Seiten ausgeschlachtet wurde, tat ich mich lange schwer damit, es in meinen Film zu integrieren. Doch an Corona führte kein Weg vorbei. Der Einfluss auf die Kunst- und Kulturszene war so immens, dass wir es nicht ignorieren konnten.
Malmö | Ich finde es gut und wichtig, dass du den Umbruch durch Corona zeigst, auch wenn das Thema schon an anderen Stellen ausgiebig zelebriert wurde. Dir ist es damit und mit deiner Art zu dokumentieren gelungen, ganz unaufgeregt zu zeigen, wie unterschiedlich ein und die selbe Krise auf unterschiedliche Menschen wirkt. Für etablierte Künstler*innen – so äußern sich zumindest deine zentralen Akteure – scheint die Pandemie zwar ungewohnt zu sein, aber nicht existenziell. Wünscht du dir vielleicht, dass der Film somit indirekt auch an die Künstler*innen erinnert, die nun finanziell vor noch größeren Herausforderungen stehen, als sie ohnehin schon vor Corona standen?
Skrobanek | Wenn der Film hilft, den Leuten das klarzumachen, freut mich das natürlich. Es war nicht meine Absicht, aber ich glaube, es passiert automatisch. Jeder, der den Film gesehen und mit mir gesprochen hat, hat mir erzählt, dass er von Anfang daran dachte. Das ist natürlich dem aktuellen Zeitgeist geschuldet und wird sich mit den Jahren ändern. Ich hoffe sehr, dass der Film dann nicht als Corona-Film abgestempelt wird und in Zukunft in der Versenkung verschwindet. Denn der Ansatz war ja zeitlos.
Malmö | Nun hast du die Filmproduktion und den damit verbundenen Kraftakt ja aus einer persönlichen Motivation heraus begonnen und auf dich genommen. Kannst du schon jetzt, also so kurz nach der Fertigstellung, Antworten in dir hören, was Kunst heute für dich bedeutet? Hat der Film deine vorherigen Positionen gefestigt oder verschoben?
Skrobanek | Schwer zu sagen. Es ist ja auch schon zweieinhalb Jahre her. Bei der Entwicklung, die ich in dieser Zeit gemacht hab, kann ich ja auch nicht richtig trennen, wie viel davon mit dem Film zu tun hat oder einfach eine natürliche Entwicklung war, die ich auch ohne den Film gemacht hätte. In jedem Fall ist mein Verhältnis zwischen idealistischem Anspruch und Realität von Kunst heute harmonischer ausbalanciert, als es vor dem Film der Fall war.
Malmö | Ausbalancieren klingt gerne nach ausgewogen und friedlich, kann aber auch als unausweichlicher Kompromiss verstanden werden. Kunst, wenn sie besonders ehrlich sein will, braucht viel Raum und einen hohen Grad an Kompromisslosigkeit. Gerade beim Film und in dessen Produktion, lauert der Kompromiss jedoch ohnehin an jeder Ecke – nicht alles ist umsetzbar, nicht jeder Autorenwunsch ist erfüllbar – auch in Dokumentationen nicht. Hättest du gerne unendliche Ressourcen beim nächsten Projekt, oder ist gerade die Verknappung von Möglichkeiten auch eine Chance, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren?
Skrobanek | Definitiv. Ich glaube, dass zu viel Ressourcen schnell verführen können, Dinge umzusetzen, die inhaltlich unbegründet sind. Dieses „Von Außen nach Innen denken“ führt dann schnell zu einer Effekthaschrei, die leicht entlarvt ist. Wenn Filme das machen, werde ich richtig wütend. Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn ich irgendwann mehr Geld für meine Filme bekomme. Ich glaube auch, dass ich, eben durch die vergangenen Projekte, damit effizient und sinnvoll umgehen würde. Aber da bin ich ja nicht der Einzige. Es gibt viele tolle Kolleg*innen, die die wenigen Gelder, die es gibt, genau so verdient haben wie ich.
Malmö | Zum Glück ist zwischen ‚unendlichen Ressourcen‘ und ‚genug Geld‘ ja noch ein ziemlich großer Spielraum. Und weil es so nahe liegt, interessiert mich zum Schluss besonders deine Einschätzung zu einem der Grundgedanken von Kunstliche Intelligenz. Würdest du nach den Erfahrungen bei der Produktion von WIR UND DIE KUNST und natürlich auch anhand deiner eigenen Wahrnehmung im Kunstkontext, sagen, dass ein festes Gehalt für Künstler*innen Sinn macht, damit diese sich in Ruhe auf ihr künstlerisches Schaffen konzentrieren können, ohne finanzielle Sorgen haben zu müssen?
Skrobanek | Ich bin ein großer Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens und glaube, dass wir da, in welcher Form und Höhe auch immer, langfristig nicht drumrum kommen. Das aber nur für Künstler*innen einzuführen, würde ich aus drei Gründen sehr kritisch sehen. 1. Wer entscheidet denn, was Kunst oder wer Künstler ist? Schwierig. 2. Ich glaube, zu viel Subventionen birgt die Gefahr, dass die Kunst sich mehr und mehr von den Bedürfnissen der Menschen löst. Das könnte die breite Akzeptanz in der Bevölkerung schädigen. Die Frage, was Menschen interessiert, mit in den künstlerischen Prozess einzubeziehen, nervet zwar immer, ist aber glaube ich nicht unwichtig für die gesellschaftliche Relevanz. 3. Ich finde es unfair für die vielen anderen Berufe, die es genau so verdient hätten. Deswegen, wenn Grundeinkommen, dann für alle. Um den Liedermacher Götz Wiedmann zu zitieren. In einer Gesellschaft, die so viel produziert wie unsere, habe ich „das Recht auf Arbeitslosigkeit“.